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  • viele Menschen sitzen in einem Zimmer, sie machen Näharbeiten, eine Diakonisse schaut ihnen über die Schulter

1914-1918 Kleinwachau im Ersten Weltkrieg

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann eine Zeit, in der Kleinwachau besonders schwer zu kämpfen hatte. Die männlichen Pfleger, Arbeiter und der Anstaltsarzt wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Viele Pfleglinge hatten Angehörige im Kriegsdienst, mit denen sie per Feldpost in Verbindung standen. Die Anstalt beteiligte sich an der Reichswollwoche und gab feldgraue Strümpfe und Schals für die Soldaten ab und Kissen für die Verwundeten. Die Landwirtschaft der Anstalt war in der knappen Zeit ein wahrer Segen, doch war Feld- und Gartenbau sehr erschwert, da die männlichen Arbeitskräfte fast durchweg im Heeresdienste standen. Die Korbmacherei mußte wegen Beschlagnahme des Materials und aus Mangel an Arbeitskräften geschlossen werden. Die Inflation brachte der Anstalt finanzielle Rückgänge, das Geld war knapp. Auch das Heizmaterial wurde immer knapper und so musste im Winter 1917 das Wald- und Berghaus geschlossen werden. Die Pfleglinge wurden teils entlassen oder staatlichen Heimen übergeben und der Rest zog in das Brunnen- und Talhaus, wo es eine Zentralheizung gab.  Dazu kam, wie überall im Land, das große Sterben im Jahre 1918, so dass der Pfleglingsbestand auf 60 herabsank. 1919 kam die Anstalt infolge der Inflation in eine so bedrängte Lage, dass ihre Schließung ernstlich erwogen werden musste. Einmal war wirklich alles zu Ende, kein Brot mehr da, kein Mehl, um welches zu backen, auch der Bäcker konnte nicht mehr aushelfen. Da, in der höchsten Not, fährt ein Wagen vor der Anstalt vor und bringt mehrere Zentner Getreide und sonstige Lebensmittel, die in einer Gemeinde für die Anstalt gesammelt worden sind und von den Vertretern der Gemeinde selbst überbracht wurden! So hat Gott immer wieder geholfen, auch durch amerikanische und holländische Freunde. 1920 mußte die Krankenstation geschlossen werden, um das Gehalt für eine Schwester zu sparen.

1925 konnte endlich wieder ein langsamer Aufschwung der Anstalt verzeichnet werden.

Alle dachten schon voll Freude und Erwartung an die Omnibuspartie, doch da hieß es plötzlich: „Krieg!“ Unsere Anstalt wurde insofern schwer betroffen, als sofort zwei Pfleger und ein Arbeiter von der Ernte weg ins Feld rücken mußten, es war bei allen ein schweres Abschiednehmen. Auch das Anstaltspferd, die Hanne, mußte zur Musterung fort, doch ist sie uns bis jetzt gelassen worden, freilich bei schmaler Kost, wie auch unser anderes Vieh. Die Außenarbeit mußte nun von dem einzigen Pfleger, welcher uns bis jetzt geblieben ist, und dem Vogt getan werden, während die Innenarbeit meist den Schwestern allein zufiel. Die eigene Landwirtschaft der Anstalt reicht ja zur Selbstversorgung längst nicht aus und es war nicht immer leicht, den an reichlich Zumessung der Portionen gewöhnten Pfleglingen das rechte Verständnis für die Notwendigkeit der Einschränkungen beizubringen.

Sonst merkten wir in unserer Einsamkeit wenig vom Krieg, nur das es zunächst noch stiller war, der schlechten Verkehrsbedingungen halber nur selten ein Besucher kam, und vieles zum Leben notwendige nicht mehr zu erlangen war. Auch liefen von verschiedenen Seiten Gesuche um Erlaß der Pflegegelder ein, nicht zum Vorteil unserer bei den hohen Lebensmittelpreisen ohnehin schon knappen Kasse. Viele unserer Pfleglinge haben Angehörige im Feld und schreiben und empfangen gern Feldpostbriefe. Außerdem stehen die männlichen Pfleglinge mit unseren im Felde stehenden Pflegern in eifrigem Briefwechsel. Sie interessieren sich auch sehr für alle Kriegsnachrichten und singen am liebsten nur noch Kriegs- und Vaterlandslieder.

Es war uns und den Pfleglingen schon längst schwer gewesen, daß wir außer der Fürbitte und treuem Gedenken nicht in der Lage waren, etwas für die Krieger zu tun. Es wurde aber doch ermöglicht, unserer lieben Schwester Marie als Geburtstagsgabe statt der üblichen Arbeiten für den Verkauf eine Menge Strümpfe, Schals und andere nützliche feldgraue Wollsachen zu stricken. Sogar die männlichen Pfleglinge übten sich des guten Zwecks wegen in dieser Kunst, fertigten auch nette Zusammensetzspiele aus Postkarten an. Kissen für die Verwundeten wurden auch genäht, sowie einige Decken in der Reichswollwoche. Später wurden die Sachen mit Stolz und Freude an die Sammelstellen in Wachau und Liegau abgeliefert und die Dankeskarten aus Feindesland mit Freuden in Empfang genommen.

So kam in dieser ernsten Zeit der Tag des 25 jährigen Bestehens unserer Anstalt heran, und wir konnten denselben, zugleich das 25 jährige Arbeitsjubiläum unserer lieben Schwester Marie hier, nicht ohne Feier vorübergehen lassen, da doch Gott diese Arbeit so sichtbar gesegnet. […] Die kirchliche Feier war am 2. Advent, wozu trotz des Krieges viele liebe Freunde kamen. Der Ansprache des Herrn Pastor v. d. Trenck lag Psalm 66, 5 zugrunde: “Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist mit seinem Tun unter den Menschenkindern“. Exz. Graf Vitzthum, welcher vor 25 Jahren die Schwestern in die Arbeit eingeführt hatte, Exz. Dr. Fiedler und Herr Kirchenrat Dr. Molwitz hielten herzliche Ansprachen, an welchen auch die Pfleglinge sich erfreuten. Dieser festliche Tag war uns in dieser ernsten Zeit eine rechte Erquickung.

Aus: Die Innere Mission in Sachsen in den Jahren 1915 – 25, 50. – 59. Jahresbericht des Landesvereins für Innere Mission, Dresden 1926

 

 

 

 

  1914  /  Arbeit, Wohnen  /  Zuletzt aktualisiert 3. September 2014 von Kleinwachau  / 

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